Müll in Schwelm
"Am schlimmsten sind die vielen Kippen!"

- hochgeladen von Wolfgang Jittler
„Das Schlimmste sind die vielen Kippen!“
Neulich begegnete ich mal wieder meinen alten Freund Manfred am Rande des Wochenmarkts in Schwelm. „Und? Hast du‘s dir überlegt?“, fragte ich ihn. „Was denn?“, Manfred verzog das Gesicht. „Ob du mitmachen willst bei uns im Cleanup-Team! Ein- oder zweimal im Monat samstags sich ein bisschen an der frischen Luft bewegen, in netter Gesellschaft, um ein paar Punkte zu sammeln beim lieben Gott.“ Ich lächelte ihn freundlich an. Peinlich war’s ihm, das konnte man sehen.
„Ja, ich weiß, ich weiß. Du hast mich letztes Mal ja auch so gut wie überzeugt. Ich habe mir sogar schon Müllgreifer im Baumarkt angeguckt. Aber bei mir ist momentan der Wurm drin. Jede Menge Arzttermine habe ich; letzte Woche MRT, jetzt kommt die urologische Vorsorgeuntersuchung und mit der Darmspiegelung bin ich auch wieder dran. Ich komme zu rein gar nix mehr.“
Manfred klang frustriert. Doch hatte er offensichtlich keine Lust, sein Thema zu vertiefen. Stattdessen fuhr er fort mit: „Wie läuft’s denn mit eurem Cleanup-Projekt?“
„Vorletztes Mal waren wir zu Zehnt. Neun Erwachsene und ein Kind. Wir haben die Potthoffstraße oben von der Hauptstraße aus bis zur August-Bendler-Straße einschließlich Spielplatz und Blücher-platzpark von sämtlichem Müll befreit. Doch ein paar Tage später war an vielen Stellen wieder alles vollgesyfft. Hier ...", ich kramte mein Handy aus der Tasche. „Schau mal: Eine Mitsammlerin aus unserem Team wohnt in der Potthoffstraße. Einen Tag nach unserem Einsatz hat sie dieses Bild an uns verschickt!“
(Bild 1)
Manfred war entrüstet: „Unglaublich. Da hat ja jemand seinen gesamten Müll entsorgt.“
„Genau! So ein Fall wäre ein gefundenes Fressen für einen erfahrenen Müllermittler. Auf Verpackungen steht oft eine Adresse oder es gibt eine Quittung mit einer Kartennummer. Nicht selten gibt es einen Nachbarn, der was gesehen hat. Müllermittler sind Profis: sie bringen kriminalistischen Spürsinn mit, sie haben die offizielle Befugnis zu ermitteln, und ihre Ergebnisse führen zu fetten Ordnungsgeldern. Das wirkt bei Müllasis wie Blitztherapie.“
„Meine Güte, das ist ja echt schlimm!“, Manfred klang sehr empört.
„Das Schlimmste, Manfred …“, ich gab mir Mühe, eher leiser als lauter zu werden, „…das Schlimmste sind die vielen Kippen überall. Du glaubst es nicht! Bei dem Einsatz in der Potthoffstraße hatte ich sie mal wieder gezählt. In 2 Stunden waren es weit über 600. Vor ca. 3 Jahren hatten wir mal einen Einsatz in der Innenstadt, wo wir ausschließlich Kippen gesammelt haben. Fünf von uns hatten in zwei Stunden in der Schwelmer Innenstadt mehr als 6000 Kippen zusammen! Diese 6000 Kippen waren nur ein winziger Bruchteil aller in Schwelm herumliegenden Kippen. Du findest sie überall, oft in Massen. Guck‘ dir mal die Grünflächen bei den Discountern an: da siehst Du inzwischen mehr Kippen als Gras. Die Kippen werden da von Mitarbeitern von Reinigungsfirmen mit Laubbläsern vom Asphalt in die Grünflächen geblasen. Alles nicht biologisch nicht abbaubares Plastik, das unser Wasser vergiftet.“ Ich zeige Manfred ein paar meiner Kippenfotos.
(Bilder 2, 3 und 4)
„Rauchst du denn nicht mehr?“, fragte Manfred mich unvermittelt. „Du hast doch gedreht, soweit ich mich erinnere: diesen holländischen Half-Zware-Tabak.“
„Ja, stimmt!“, gab ich zu. „Aber das ist Ewigkeiten her. 30 Jahre oder so. Irgendwann sprach mich mein Arzt an, ob ich mal eben einen kleinen Fragebogen übers Rauchen ausfüllen könnte. Er hatte mich vorher gefragt, ob ich immer noch rauchte. Die Auswertung des Fragebogens ergab, dass ich Gewohnheitsraucher war, kein Gelegenheits- und auch kein Suchtraucher. Mein Arzt meinte, was man sich angewöhnt hat, könnte man sich auch wieder abgewöhnen.“
„Ja, wenn’s so einfach wäre.“ Manfred lachte etwas gekünstelt. „Und wie hast du es geschafft?“
„Ich habe angefangen, während der Arbeit, zu bestimmten Zeiten und in geschlossenen Räumen gar nicht mehr zu rauchen, bis ich nach ein paar Wochen vergaß, meinen Tabak einzustecken, wenn ich zur Arbeit fuhr. Von da an war’s nicht mehr weit bis zum Ganz Aufhören. Und es ging mir körperlich besser. Das kam dazu. Heute wird mir schlecht, wenn ich’s mir nur vorstelle. Vielleicht kennst du ja den Spruch von Bernstein, das ist einer von der alten Titanic-Gruppe: ‚Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche!‘ So war das bei mir auch!“
„Beneidenswert.“ Manfred sah plötzlich ziemlich deprimiert aus.
Er tat mir leid: „Vielleicht bist du doch auch nur Gewohnheitsraucher“, versuchte ich ihn zu trösten. „Achte doch einfach mal nach jeder Zigarette darauf, ob es dir danach körperlich besser oder schlechter geht. Als ich anfing, darauf zu achten, fiel mir auf, dass mir morgens nach der ersten Zigarette leicht schwindelig war und dass ich mich eigentlich körperlich schlechter fühlte.“
„Vielleicht rede ich doch noch mal mit meinem Arzt darüber.“ Manfred klang wieder etwas zuversichtlicher.
„Es ist nie zu spät!“, meinte ich. “Deine Organe können innerhalb einer gewissen Zeit regenerieren. Und du fühlst dich viel besser.“
Dann hatte ich eine Idee. Dazu suchte ich auf meinem Handy ein Foto, das ich erst gestern zu Hause gemacht hatte. Manfred beobachtete mich. „Ich suche das Bild von einem Taschenaschenbecher. Die kriegt man übers Internet. Kostenlos, man muss nur das Porto bezahlen.“ Endlich fand ich das Bild. „Hier schau mal. Ich habe zu Hause noch zwei Stück.“ Manfred sah sich das Bild interessiert an:
(Bild 5)
„Damit kannst du ein eigenes Self-Control-Programm starten. Das geht so: Du sammelst tagsüber deine Kippen, führst sorgfältig Tagesstatistik, d.h. wie viele Du jeden Tag geraucht hast. Und anschließend entsorgst du die Kippen in deinem Restmüll. So kommst du gar nicht in Gefahr, eine lästige Kippe irgendwo in die Natur zu schnippen.“
„Vielleicht gar keine schlechte Idee. Das kann ich ja auch mit meinem Arzt besprechen. Der hatte schon mal irgendwas erzählt von Verhaltenskontrolle. So was ist das doch, oder?“ Manfreds Interesse schien geweckt.
„Ja genau!“, bestätigte ich seine Vermutung „Das geht ungefähr so wie bei den Weight-Watchern. Da schaffen es viele, ihr Essverhalten zu ändern, einfach indem sie pingelig alles aufschreiben, was sie essen. Schummeln gilt nicht!“
„Ok. du sagst, du hast noch so einen Taschenaschenbecher übrig? Wir können uns doch morgen um 12 Uhr bei 'ner Brat- oder Currywurst von Ranft treffen. Dann gibst du mir so’n Dingen.“
Genau so haben wir es dann auch gemacht!
Mal sehen, ob Manfred doch noch zum Nichtraucher wird.
Ein Nichtraucher weniger – einer weniger, der regelmäßig in Versuchung kommt, seine Kippen einfach irgendwo zu entsorgen und sich nichts dabei denken.





Community:Wolfgang Jittler aus Schwelm |
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